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Die Gegenwartsarchitektur

  • Autorenbild: Andreas Bricks
    Andreas Bricks
  • 16. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

1970er Jahre bis heute



Das Kanzleramtsgebäude in Berlin
Das Kanzleramtsgebäude

Die Gegenwartsarchitektur, oft auch als zeitgenössische Architektur bezeichnet, ist keine einzelne, monolithische Stilrichtung, sondern vielmehr ein dynamisches und vielfältiges Feld, das sich grob ab den späten 1980er oder frühen 1990er Jahren bis in die heutige Zeit erstreckt. Sie ist geprägt von einer ständigen Suche nach Innovation, einer kritischen Auseinandersetzung mit der Moderne und Postmoderne sowie einer tiefgreifenden Reflexion über die Rolle von Architektur in einer globalisierten und technologisch fortgeschrittenen Welt. Anders als frühere Epochen, die oft durch dominante Stile oder Schulen gekennzeichnet waren, zeichnet sich die Gegenwartsarchitektur durch eine Pluralität von Ansätzen, Ästhetiken und Philosophien aus.


Ein zentrales Merkmal ist die Auflösung starrer Dogmen und die Akzeptanz einer gewissen Freiheit in Form, Material und Funktion. Es gibt keine universelle Formensprache; stattdessen sehen wir eine Bandbreite von geometrisch komplexen bis hin zu organisch fließenden Entwürfen, von minimalistischer Reduktion bis zu expressiver Dekonstruktion. Diese Vielfalt resultiert oft aus der spezifischen Reaktion auf den Ort, das Programm und die jeweiligen Bauherrenbedürfnisse. Kontextualismus spielt eine wichtige Rolle, indem Architekten versuchen, ihre Gebäude in eine Beziehung zur Umgebung zu setzen, sei es durch die Aufnahme lokaler Materialien, die Berücksichtigung von Topografie oder die Schaffung von Bezügen zur Geschichte des Ortes. Gleichzeitig existiert aber auch eine Tendenz zur Schaffung ikonischer, oft skulpturaler Gebäude, die sich bewusst von ihrer Umgebung abheben und als Landmarken fungieren.


Technologische Fortschritte haben die Gegenwartsarchitektur maßgeblich beeinflusst. Neue Materialien wie Hochleistungsbeton, spezielle Glasarten, innovative Kunststoffe und Verbundwerkstoffe ermöglichen zuvor undenkbare Konstruktionen und Formen. Digitale Entwurfswerkzeuge, parametrische Designprozesse und computergestützte Fertigung haben die Arbeitsweise der Architekten revolutioniert und die Realisierung komplexer Geometrien erheblich erleichtert. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind zu integralen Bestandteilen des Entwurfsprozesses geworden. Die Berücksichtigung des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes, die Nutzung erneuerbarer Energien, die Optimierung des Tageslichteinsatzes und die Minimierung des Ressourcenverbrauchs sind heute Standardanforderungen und treiben die Entwicklung innovativer Gebäudekonzepte voran.

Soziale und kulturelle Aspekte spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.


Gegenwartsarchitektur reflektiert und gestaltet gesellschaftliche Veränderungen, wie die zunehmende Urbanisierung, die Notwendigkeit flexibler Arbeits- und Wohnformen oder die wachsende Bedeutung von Gemeinschaftsräumen. Architekten agieren oft als Kulturschaffende, die nicht nur funktionale Gebäude entwerfen, sondern auch ästhetische und symbolische Werte schaffen. Die Grenze zwischen Kunst und Architektur verschwimmt dabei zunehmend.


Innerhalb dieser breiten Definition lassen sich verschiedene Strömungen und Tendenzen beobachten. Der Dekonstruktivismus, der seine Wurzeln in den 1980er Jahren hat, aber weiterhin Einfluss ausübt, zeichnet sich durch die Auflösung klassischer Ordnung, die Fragmentierung von Formen und die Schaffung einer scheinbaren Instabilität aus. Prominente Vertreter sind Frank Gehry, dessen komplex geschwungene Formen, oft mit Metallverkleidungen, weltweit bekannt sind, etwa das Guggenheim Museum in Bilbao. Ein weiterer einflussreicher Architekt in diesem Kontext ist Zaha Hadid, deren dynamische, oft fließende und amorphe Formen die Grenzen des Machbaren ausloteten, wie man am Heydar Aliyev Center in Baku sehen kann.


Eine andere Richtung konzentriert sich auf eine minimalistische Ästhetik, die sich durch klare Linien, reduzierte Formen und den Fokus auf Materialität und Licht auszeichnet. Hier sind Namen wie David Chipperfield, bekannt für seine präzise und zurückhaltende Eleganz, beispielsweise bei der Neuen Nationalgalerie in Berlin, oder Tadao Ando, dessen Betonarchitektur eine meditative Stille und eine besondere Sensibilität für Licht und Schatten ausstrahlt, wie man an der Kirche des Lichts in Ibaraki erkennen kann, zu nennen.

Auch die Tendenz zu organischen und biomorph inspirierten Formen ist ausgeprägt.


Architekten versuchen hier, die Prinzipien der Natur in ihre Entwürfe zu integrieren, was zu fließenden Übergängen, geschwungenen Wänden und einer harmonischen Einbettung in die Landschaft führen kann. Norman Foster, ein vielseitiger Architekt, dessen Werk von Hochhäusern bis zu kulturellen Gebäuden reicht und oft durch eine hohe technologische Raffinesse und ökologische Aspekte gekennzeichnet ist, wie der Reichstag in Berlin mit seiner ikonischen Glaskuppel, oder Renzo Piano, bekannt für seine leichten, transparenten und oft modularen Strukturen, die oft auch eine spielerische Eleganz besitzen, beispielsweise das Centre Pompidou in Paris (obwohl dieses bereits in den 70er Jahren entstand, prägte es doch das Verständnis für Technik und Offenheit, das in die Gegenwartsarchitektur überging), haben ebenfalls bedeutende Beiträge geleistet.


Das Werk von Rem Koolhaas und seinem Büro OMA ist ebenfalls prägend für die Gegenwartsarchitektur. Koolhaas ist bekannt für seine konzeptuellen und oft provokativen Ansätze, die die Grenzen der Architektur ausloten und sich mit den komplexen Realitäten der modernen Welt auseinandersetzen, wie dem CCTV-Hauptquartier in Peking. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine kritische Haltung gegenüber Konventionen und eine ständige Neuerfindung aus.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gegenwartsarchitektur ein Spiegelbild unserer komplexen und sich ständig wandelnden Welt ist. Sie ist keine starre Stilrichtung, sondern ein offenes Feld, das von einer Vielzahl von Strömungen, Ideen und Persönlichkeiten geprägt wird. Die ständige Auseinandersetzung mit neuen Technologien, Materialien, ökologischen Herausforderungen und gesellschaftlichen Bedürfnissen macht sie zu einer der aufregendsten und dynamischsten Epochen in der Geschichte der Architektur.

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