Der Klassizismus
- Andreas Bricks
- 20. Mai
- 2 Min. Lesezeit
ca. 1770 bis 1840

Der Klassizismus, eine einflussreiche Strömung in der Architektur, die sich etwa von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika entfaltete, stellte eine bewusste Rückbesinnung auf die Formensprache der griechischen und römischen Antike dar. Angesichts der als überladen und verspielt empfundenen Auswüchse des Barock und Rokoko suchten Architekten dieser Epoche nach Klarheit, Harmonie und rationalen Prinzipien in ihren Entwürfen. Diese Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit speiste sich aus den aufkommenden archäologischen Entdeckungen in Pompeji und Herkulaneum sowie aus den Schriften von Kunsthistorikern wie Johann Joachim Winckelmann, die die griechische Kunst als Inbegriff von Schönheit und edler Einfalt priesen.
Die architektonischen Merkmale des Klassizismus sind dementsprechend von einer strengen Symmetrie, klaren geometrischen Formen und der Verwendung antiker Stilelemente geprägt. Säulenordnungen – dorisch, ionisch und korinthisch – kehrten in ihrer authentischen Ausprägung zurück und gliederten Fassaden und Innenräume. Giebel, Tempelfronten und Portiken wurden zu charakteristischen Motiven, die Würde und Erhabenheit vermittelten. Die Materialwahl bevorzugte edle, aber schlichte Oberflächen wie Naturstein oder verputzten Mauerbau, der oft in hellen Farben gehalten wurde, um die Klarheit der Formen zu betonen. Ornamentik wurde sparsam und in Anlehnung an antike Vorbilder eingesetzt, beispielsweise in Form von Friesen, Rosetten oder Palmetten.
Im Inneren setzten sich die Prinzipien der Klarheit und Symmetrie fort. Großzügige, axial ausgerichtete Raumfolgen, strenge Proportionen und eine zurückhaltende Dekoration prägten das Ambiente. Stuckarbeiten waren weniger opulent als im Barock und nahmen oft antike Motive auf. Die Möblierung war ebenfalls von klaren Linien und edlen Materialien bestimmt.
Der Klassizismus fand in verschiedenen Bauaufgaben seinen Ausdruck. Im Sakralbau entstanden Kirchen, die an antike Tempel erinnerten, wie beispielsweise die Église de la Madeleine in Paris. Im Profanbau prägte er sowohl öffentliche Gebäude wie Museen, Theater und Bibliotheken als auch private Wohnhäuser und Paläste. Hier sind insbesondere monumentale Fassaden mit Säulenportiken und streng gegliederten Fensterachsen charakteristisch. Auch in der Stadtplanung hinterließ der Klassizismus seine Spuren, indem er zur Anlage von repräsentativen Plätzen, breiten Alleen und symmetrischen Gebäudeensembles beitrug.
Einige berühmte Bauwerke, die die Ideale des Klassizismus auf eindrucksvolle Weise verkörpern, sind neben der bereits erwähnten Église de la Madeleine das Brandenburger Tor in Berlin, das als monumentaler Triumphbogen im Stil eines griechischen Propylons errichtet wurde, das British Museum in London mit seiner imposanten Säulenfassade, das Kapitol in Washington D.C., das die Macht und Würde der amerikanischen Demokratie symbolisiert, und die Neue Wache in Berlin, ein schlichtes, aber erhabenes Beispiel klassizistischer Strenge. Diese Bauwerke zeugen von dem Bestreben der Epoche, durch die Wiederbelebung antiker Formen eine zeitlose und universelle Ästhetik zu schaffen, die Vernunft, Ordnung und Harmonie verkörperte.
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