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Der Jugendstil

  • Autorenbild: Andreas Bricks
    Andreas Bricks
  • 10. Juni
  • 2 Min. Lesezeit

(ca. 1890–1910 n. Chr.)


Das Rathaus Charlottenburg in Berlin
Rathaus Charlottenburg Berlin

Der Baustil des Jugendstils fand seine Blütezeit etwa von 1890 bis 1910, in Deutschland oft auch bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Er entstand als eine Gegenbewegung zum Historismus und der zunehmenden Industrialisierung, die oft zu überladener und maschinell gefertigter Massenware führte.


Inspirationen für den Jugendstil kamen maßgeblich aus der Natur, was sich in der Verwendung organischer, geschwungener Linien, floraler Motive wie Blüten, Blätter, Ranken sowie Tierdarstellungen widerspiegelt. Ziel war es, eine neue, "moderne" Formensprache zu finden, die sich von den historischen Nachahmungen abgrenzte. Eine wichtige Vorläuferbewegung war die britische "Arts and Crafts"-Bewegung um William Morris, die sich auf Handwerkskunst besann und eine Verbindung von Kunst, Gesellschaft und Arbeit anstrebte. Der Jugendstil wollte Kunst in den Alltag integrieren und das Kunsthandwerk wieder aufwerten, um Ästhetik und Qualität den maschinell gefertigten, oft als minderwertig empfundenen Produkten entgegenzusetzen. Zudem spielten auch Einflüsse aus der japanischen Kunst (Japonismus) sowie eine Faszination für die Weiblichkeit und Symbolik eine Rolle in der Gestaltung.

Man spürte förmlich das Verlangen, das Korsett der Vergangenheit abzustreifen und etwas gänzlich Neues, Lebendiges zu schaffen, das die moderne Zeit widerspiegelte.


Diese Suche nach einem "Gesamtkunstwerk" war ein zentrales Anliegen. Architekten, Kunsthandwerker und Künstler arbeiteten Hand in Hand, um Gebäude zu schaffen, in denen jedes Detail, von der Fassade bis zum Türgriff, von den Möbeln bis zu den Glasfenstern, eine ästhetische Einheit bildete. Es war eine Abkehr von der bloßen Funktion, hin zu einer bewussten Gestaltung, die das Alltagsleben mit Schönheit und Kunst erfüllen wollte. Man liebte die asymmetrische Komposition, die den Bauwerken eine dynamische Erscheinung verlieh, und setzte auf hochwertige Materialien wie kunstvolles Schmiedeeisen, farbiges Glas und Keramik, die oft in aufwendigen Mosaiken und Stuckarbeiten ihren Ausdruck fanden.


Ein herausragendes Beispiel für diese gestalterische Philosophie ist die Casa Batlló in Barcelona, entworfen von Antoni Gaudí. Dieses Gebäude scheint sich zu "bewegen", die Fassade gleicht einer lebendigen Meereswelle, die Dachziegel erinnern an Fischschuppen und die Balkone wirken wie Knochen. Gaudí hat hier die Natur nicht einfach abgebildet, sondern ihre Essenz in eine einzigartige, fantastische Architektur übersetzt, die zum Träumen einlädt.


Ein weiteres beeindruckendes Werk, das den Geist des Jugendstils atmet, ist das Wiener Secessionsgebäude von Joseph Maria Olbrich. Mit seiner klaren, fast schlichten Form und der unverwechselbaren vergoldeten Blätterkuppel, spöttisch "goldenes Krauthappel" genannt, verkörpert es das Motto der Secessionskünstler: "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit". Es ist ein Ort des Aufbruchs, der die Suche nach neuen Wegen in der Kunst und Architektur manifestiert.


Auch das Majolikahaus in Wien, ein Entwurf von Otto Wagner, zeugt von der spielerischen Leichtigkeit und der farbenfrohen Gestaltung des Jugendstils. Die Fassade ist vollständig mit floral gemusterten Majolika-Kacheln überzogen, die nicht nur dekorativ wirken, sondern auch einen praktischen Nutzen haben, da sie leicht zu reinigen sind. Es ist ein fröhliches Gebäude, das die Freude am Ornament und an der unkonventionellen Schönheit ausstrahlt.

Der Jugendstil war somit eine zutiefst menschliche Antwort auf die Industrialisierung, eine Bewegung, die die Seele der Kunst in den Alltag zurückholen wollte. Er schuf eine Architektur, die nicht nur Wohnraum bot, sondern Geschichten erzählte, Emotionen weckte und die Schönheit in ihrer fließendsten und organischsten Form zelebrierte.

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